Zuletzt aktualisiert: 27.10.2025

Das war die Podiumsdiskussion zur Saarabstimmung auf dem Halberg

Einführung durch SR-Intendant Grasmück

Am Donnerstag, den 23. Oktober letzter Woche fand unter großem Publikumszuspruch im Konferenzsaal des Saarländischen Rundfunks eine Podiumsdiskussion über die nunmehr 70 Jahre zurückliegende Schicksalsfrage für Saarländer statt: Sollten sie für das von der damaligen christdemokratischen Regierungspartei CVP propagierte „Saarstatut“ stimmen – oder dagegen? Die Entscheidung fiel klar aus, denn das Statut und die mit ihm verbundene „Europäisierung“ der Saar wurden mit erheblicher Mehrheit abgelehnt.

Genau 70 Jahre nach dem Tag der Abstimmung kamen nach einer Einführung durch SR-Intendant Martin Grasmück auf dem Podium unter Moderation von Norbert Klein die Historiker Professor Bärbel Kuhn und Dr. Hans-Christian Herrmann sowie Dr. Rudolph Brosig zusammen.

Blick auf das Podium

Kuhn, als Historikerin im Saarland ausgebildet, betonte in ihrem Eingangsstatement die bedeutende Rolle der Frauen bei der Saarabstimmung als Wählerinnen und politische Akteure. Aufgrund einer Nachwahlbefragung wusste sie anzuführen, dass CVP-Chef und Saar-Ministerpräsident Johannes Hoffmann, im Volksmund meist „JoHo“ genannt, bei den Saarländerinnen weit höher im Kurs stand als bei den Männern und „56 Prozent der Frauen das Statut befürworteten.“ Zudem wies sie auf prominente Frauen in der CVP während des „Abstimmungskampfes“ hin, darunter die Philosophin und Oberregierungsrätin Maria Schweitzer, die Juristin Irmgard Fuest und die ausgebildete Apothekerin Auguste Lauer. Die kürzlich aufgefundenen Tagebücher Fuests liegen ihr nun zu Auswertungszwecken vor. „In mindestens einem Punkt“, so Kuhn, „haben die Frauen von dem Nein und dem folgenden Anschluss an die Bundesrepublik profitiert. Er bedeutete nämlich einen Schritt in Richtung rechtliche Gleichberechtigung, denn laut Grundgesetz der Bundesrepublik waren Männer und Frauen gleichberechtigt und hatten nicht nur wie im damaligen Saarland die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.“

Dr. Rudolph Brosig spricht

Rudolph Brosig spann sodann in einem mitunter heiteren Essay die Geschichte des Saarlandes weiter: nach einer fiktiven Annahme des Statuts. Die Besetzung von Ämtern innerhalb einer Allparteienregierung thematisierte er ebenso wie die Ansiedlung von Institutionen. Den Saar-Franken sah er bis zur Einführung des Euros im Freistaat Saarland bestehen, die Universität des Saarlandes sich zur Europäischen Universität wandeln. Brosig erörterte ferner den Ausgang einer ‚dritten‘ Saarabstimmung im Zuge der „Zwei-plus-Vier-Verträge“ und verstand es auch, die künftige Rolle des Rundfunks und des saarländischen Fußballs zu würdigen.

Das Publikum folgt der Diskussion interessiert

Zur Nüchternheit mahnte indes der Historiker und Stadtarchivar Herrmann, Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur Saargeschichte. Er konnte zwar der aufgeworfenen These beipflichten, wonach während des teilautonomen Saarstaates unter der von der CVP und Ministerpräsident Johannes Hoffmann geführten Regierung die Saarländer von Frankreich profitiert und einen gewissen Wohlstand bei niedriger Arbeitslosenquote erreicht hätten. Die durchgehende Ansiedlung europäischer Institutionen an der Saar im Falle einer Bejahung des Statuts sah er aber ebenso wenig heraufziehen wie einen ausbrechenden Reichtum. Herrmann wies vielmehr darauf hin, dass die Zugehörigkeit des Saarlandes zur Bundesrepublik, der „erfolgreichsten deutschen Staatsform in der gesamten deutschen Geschichte“,  auf lange Strecke die zu Recht beachtlichen Beziehungen der BRD zu Frankreich gesichert hätten. Es handle sich hierbei neben der europäischen Orientierung um die „DNA des Saarlandes“. Der Stadtarchivar strich des Weiteren die Bedeutung der „Saarlandmacher“ wie des einstigen Ministerialdirigenten Johannes Hoffmanns, Franz Schlehofer, heraus. Die Gegner an der Saar im „Abstimmungskampf“ schilderte er als nicht selten später politisch und menschlich versöhnt.

In der Diskussion wurden zahlreiche weitere Detailfragen erörtert, gelegentlich auch unter Einwurf von Anekdoten. Dem Publikum war sodann die Möglichkeit gegeben, Fragen an die Diskutanten zu richten. Der ehemalige Europaabgeordnete Jo Leinen und SR-Journalist Michael Thieser meldeten sich dabei neben Zeitzeugen zu Wort.

Ein spontaner Beitrag von Rita Waschbüsch

Den Schluss der Podiumsdiskussion bildete ein von Norbert Klein spontan angeregter kurzer Redebeitrag von Rita Waschbüsch, Zeitzeugin und erste Ministerin des Saarlandes während der Regierungszeit von Franz-Josef Röder. Sie erinnerte sich daran, dass sogar während ihres um den Zeitpunkt der Abstimmung angesiedelten Tanzkurses Linien der Ja- und Neinsager sichtbar wurden. Waschbüsch beendete aus ihrem Verständnis der Geschichte heraus ihren Beitrag mit einem Appell an die Gegenwart: erstarkendem Populismus möge entgegengetreten werden.