Zuletzt aktualisiert: 07.10.2025

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Tipp: Den kompletten Vortrag – in voller Länge – mit Alexander Teske finden Sie auf dem YouTube-Kanal der Union StiftungHier klicken, um das Video „So werden Nachrichten wirklich gemacht: Inside Tagesschau – Der Blick hinter die Kulissen.“ anzusehen.

Was ist die Tagesschau und wie hat sie sich verändert?

Die Tagesschau ist eine der ältesten und bekanntesten Nachrichtensendungen in Deutschland. Generationen verbinden sie mit historischen Ereignissen wie dem Mauerfall 1989 oder den Jugoslawienkriegen. Doch in den letzten Jahren haben sich Struktur, Inhalt und Haltung der Sendung verändert. Laut dem ehemaligen Redakteur Alexander Teske betreffen diese Veränderungen sowohl die Themenauswahl als auch die Arbeitskultur innerhalb der Redaktion.

Die Tagesschau sollte ursprünglich eine neutrale Informationsquelle sein, die faktenbasiert und unparteiisch berichtet. Kritiker wie Teske argumentieren jedoch, dass die Sendung sich zunehmend an politischen Strömungen orientiert und damit ihren ursprünglichen journalistischen Anspruch verwässert. Diese Entwicklung stellt nicht nur die Unabhängigkeit der Redaktion infrage, sondern auch ihre Rolle als Leitmedium im demokratischen Diskurs.

Wie konsumieren Menschen heute die Tagesschau?

Früher war die Tagesschau ein fester Termin im Tagesablauf vieler Menschen. Heute informieren sich viele Zuschauer über die Mediathek, auf Online-Portalen oder über soziale Medien. Nur bei besonderen Ereignissen wie Sportübertragungen bleibt das klassische Fernsehen eine relevante Nachrichtenquelle.

Mit dem Vormarsch mobiler Endgeräte und Plattformen wie TikTok oder YouTube haben sich auch die Erwartungen an Nachrichtenformate verschoben. Inhalte müssen schnell, präzise und möglichst unterhaltsam sein. Diese Veränderung stellt traditionelle Nachrichtenformate vor die Herausforderung, ihre Inhalte neu zu strukturieren, ohne an journalistischer Substanz zu verlieren. Insbesondere bei komplexen Themen besteht die Gefahr, dass Verkürzungen zu Verzerrungen führen.

Wie werden Themen für die 20-Uhr-Tagesschau ausgewählt?

Die Themen der 20-Uhr-Tagesschau entstehen im Zusammenspiel von langfristiger Planung und aktueller Nachrichtenlage. Beiträge werden überwiegend von regionalen Anstalten wie dem Saarländischen Rundfunk zugeliefert. Die endgültige Auswahl und Gewichtung trifft ein kleiner Kreis von Chefs vom Dienst.

Dass diese Entscheidungsprozesse weitgehend intransparent sind, kritisiert Teske scharf. Gerade weil die Tagesschau eine so herausragende Stellung im deutschen Nachrichtensystem hat, müsse besonders sorgfältig dokumentiert werden, wie Themenprioritäten gesetzt werden. In einer Demokratie, die auf vielfältige Informationen angewiesen ist, dürfen zentrale Nachrichtenformate nicht den Eindruck erwecken, sie agierten in einem geschlossenen System.

Warum gibt es Kritik an der Meinungsvielfalt in der Tagesschau?

Laut Teske fehlt es der Tagesschau-Redaktion an echter Vielfalt der Perspektiven. Besonders ostdeutsche Sichtweisen seien kaum vertreten, was sich auf die Themenwahl und den Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen auswirke. Studien wie der Medienvielfaltsmonitor untermauern diese Einschätzung.

Die mangelnde Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven ist nicht nur ein Problem der Repräsentation, sondern wirkt sich auch auf die Glaubwürdigkeit des Mediums aus. Wenn bestimmte gesellschaftliche Realitäten systematisch unterbelichtet bleiben, wächst das Gefühl vieler Zuschauer, ihre Lebenswirklichkeit werde nicht abgebildet. Das Vertrauen in Medien ist fragiler geworden – und journalistische Vielfalt wäre ein Schlüssel, um es zurückzugewinnen.

Gibt es Meinungsfreiheit innerhalb der Redaktion?

Offiziell wird die Meinungsfreiheit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk hochgehalten. Teske beschreibt jedoch, dass innerhalb der Redaktion abweichende Ansichten nur eingeschränkt geduldet würden. Wer etablierte Narrative hinterfragt, riskiere berufliche Nachteile.

Ein Klima, in dem Selbstzensur entsteht, gefährdet die journalistische Unabhängigkeit massiv. Meinungsvielfalt innerhalb der Redaktion ist kein „Nice-to-have“, sondern Grundvoraussetzung für glaubwürdigen Journalismus. Wenn Redakteure Angst haben, abweichende Positionen zu vertreten, leidet nicht nur die interne Debattenkultur, sondern auch die journalistische Qualität, die den Zuschauern geboten wird.

Wie stark ist die Boulevardisierung der Tagesschau?

Teske kritisiert, dass Boulevardthemen, Berichte über Royals und die tägliche Verkündung der Lottozahlen zunehmend Raum in der Tagesschau einnehmen. Dieser Trend diene in erster Linie dazu, die Einschaltquoten zu steigern.

Während Emotionen und Unterhaltung kurzfristig Reichweiten sichern mögen, verwässern sie langfristig das journalistische Profil der Sendung. Wenn in einer auf 15 Minuten beschränkten Nachrichtensendung mehrere Minuten für leichte Themen verwendet werden, schrumpft der Platz für harte, relevante Informationen drastisch. Gerade in einer Zeit, in der der öffentliche Diskurs differenzierter denn je geführt werden müsste, ist diese Entwicklung besonders kritisch zu betrachten.

Welche Rolle spielt die Tagesschau trotz Kritik weiterhin?

Trotz aller aufgezeigten Mängel bleibt die Tagesschau ein unverzichtbares Nachrichtenformat. Gerade in der regionalen Berichterstattung und der investigativen Recherche leistet sie einen wichtigen Beitrag zur demokratischen Öffentlichkeit.

In vielen Regionen, in denen lokale Medien schwinden, füllt die Tagesschau eine wichtige Lücke. Doch um diese Rolle auch in Zukunft glaubwürdig auszufüllen, muss der Anspruch an Objektivität, Tiefe und Meinungsvielfalt aktiv verteidigt werden. Andernfalls läuft auch dieses Flaggschiff des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Gefahr, weiter an Vertrauen zu verlieren.

Was fordert Alexander Teske für die Zukunft der Tagesschau?

Teske fordert eine echte Reform des Systems: mehr Transparenz bei der Themenauswahl, eine bewusst geförderte Vielfalt in den Redaktionen und eine scharfe Trennung von Berichterstattung und Meinung.

Er warnt davor, dass kosmetische Korrekturen nicht ausreichen werden. Eine tiefergehende Selbstkritik und ernsthafte Strukturreformen sind aus seiner Sicht unverzichtbar, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wieder zu einem Ort echter Vielfalt und journalistischer Exzellenz zu machen.

Abschließendes Fazit: Ein Blick hinter die Fassade – und die Chance auf Erneuerung

Die Tagesschau bleibt ein zentraler Baustein der deutschen Medienlandschaft – doch der Blick hinter die Kulissen zeigt, dass ihre Rolle nicht mehr unangefochten ist. Alexander Teske öffnet in seinem Vortrag und seinem Buch die Tür zu einer Redaktion, die zwischen Tradition und Modernisierung, zwischen journalistischem Anspruch und Quotendruck hin- und hergerissen scheint.

Die Kritik an fehlender Meinungsvielfalt, an einer zunehmenden Boulevardisierung und an der Intransparenz von Entscheidungsprozessen ist schwerwiegend. Sie zeigt, dass auch etablierte Medienstrukturen dringend reformiert werden müssen, wenn sie den Ansprüchen einer offenen, vielfältigen Gesellschaft gerecht werden wollen.

Gleichzeitig bleibt die Tagesschau trotz aller Defizite ein unverzichtbarer Bestandteil einer funktionierenden demokratischen Öffentlichkeit. Ihre regionale Berichterstattung und investigativen Projekte sind Leuchttürme in einer immer unübersichtlicher werdenden Medienlandschaft.

Ob die Tagesschau jedoch in der Lage sein wird, ihr Profil zu schärfen, ihre Strukturen zu öffnen und wieder stärker auf Vielfalt, Unabhängigkeit und Transparenz zu setzen, wird entscheidend darüber bestimmen, ob sie auch künftig das Vertrauen breiter Bevölkerungsschichten genießen kann.
Die Chance zur Erneuerung besteht – sie zu nutzen, liegt in der Verantwortung derer, die die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gestalten.

Wer ist Alexander Teske?

Alexander Teske (Homepage) ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Redakteur bei der Tagesschau. Er arbeitete mehrere Jahre für die wichtigste Nachrichtensendung Deutschlands, sowohl in der langfristigen Planung als auch im redaktionellen Tagesgeschäft. Vor seiner Zeit in Hamburg war Teske beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) tätig und erlebte dort hautnah die Veränderungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Seine Erfahrungen verarbeitete er in einem aufsehenerregenden Buch, das tiefe Einblicke in die internen Abläufe der Tagesschau gewährt. Darin kritisiert er nicht nur strukturelle Mängel wie fehlende Transparenz bei der Themenauswahl, sondern auch eine politische Einseitigkeit innerhalb der Redaktion. Als Referent des Vortrags stellt Teske nicht nur seine Insiderkenntnisse vor, sondern setzt sich kritisch und fundiert mit der Frage auseinander, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Auftrag in einer modernen Gesellschaft erfüllen kann – und wo Reformbedarf besteht.

Teske tritt dabei nicht als polemischer Kritiker auf, sondern als engagierter Journalist, der an die ursprünglichen Ideale seines Berufs glaubt: Unabhängigkeit, Meinungsvielfalt und Transparenz.