Reihe »Abiturreden«
Die Abiturreden erscheinen bereits im sechszehnten Jahr …
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Nachwort der Union Stiftung zur zehnten Abiturrede aus dem Jahr 2009.
Nun schon im zehnten Jahr besorgt die Union Stiftung gemeinsam mit dem saarländischen Gollenstein Verlag die Veröffentlichung der Reihe „Reden an die Abiturienten“. Das ist ein guter Anlass für ein Nachwort der Union Stiftung Bei einer Abschlussfeier der University of Michigan in Ann-Arbor hielt Joseph Brodsky im Jahre 1988, ein Jahr nach seiner Auszeichnung mit dem Literaturnobelpreis, eine Rede, in der er zu den Absolventinnen und Absolventen wunderbar klug nicht nur über Literatur, sondern auch über das Leben sprach. Diese Rede gab Ralph Schock, Literatur – redakteur beim Saarländischen Rundfunk, später die Idee zu der Reihe „Reden an die Abiturienten“, eine Reihe, die auch anknüpfen sollte an die im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert in Deutschland verbreitete Tradition der von Literaten gehaltenen Schulreden. Noch heute gehören zum Beispiel die Schulreden von Jean Paul und Johann Gottfried Herder zu einem festen Bestandteil des Kanons für das Studium der Literatur- und der Erziehungswissenschaften.
Die Reihe wurde inzwischen zu einer Institution. Gemeinsam bitten alljährlich das Ministerium für Bildung, Familie, Frauen und Kultur des Saarlandes, der Saarländische Rundfunk und die Union Stiftung anerkannte deutschsprachige Autorinnen und Autoren, zu den Absolventen des jeweiligen Abschlussjahrgangs zu sprechen. Zu dieser Veranstaltung werden die hundert besten Abiturientinnen und Abiturienten unseres Bundeslandes eingeladen. Die Rede wird in verschiedenen Hörfunkprogrammen des Saarländischen Rundfunks live und zeitversetzt übertragen. Sie liegt am Veranstaltungstag für die jungen Gäste und die Öffentlichkeit in sorgfältig gedruckter Fassung bereit und die anwesenden Abiturienten er halten ein vom Autor signiertes Exemplar. Warum beteiligen wir uns schon so viele Jahre an der Fortführung dieser schönen Tradition? Zum einen um den Abiturientinnen und Abiturienten in einem festlichen Rahmen außerhalb eines Schulgebäudes unsere Anerkennung für ihre Leistungen zu zeigen. Denn etwas geleistet haben sie und sollen stolz darauf sein, aber sie müssen nun eigenständig einen neuen Anfang wagen, etwas Neues angehen! Doch wie kann man junge Menschen ermutigen, was kann man ihnen „mit auf den Weg geben“, wie sie begleiten ohne anzuleiten und wie helfen, ohne zu prägen? Die möglichen Antworten auf diese Fragen sind sicher so vielfältig wie die Abiturienten verschieden sind. Und das führt uns zum zweiten Grund unserer Beteiligung an dieser Reihe. Es ist in jedem Jahre wieder spannend zu hören und zu lesen, wie bekannte zeitgenössische Autoren genau diese Aufgabe lösen. Selbstverständlich erhalten die Autorinnen oder Autoren keine inhaltlichen Vorgaben. Sie sind völlig frei in der Auswahl des Themas und des Titels ihrer Rede. Und so liegen jetzt zehn sehr unterschiedliche Reden vor. Es wurde erzählt, verglichen, ermahnt, ermutigt, polemisiert, kritisiert und gelobt, jede Rede für sich ein Schatz und für die Adressaten je nach Persönlichkeit sicher unterschiedlich wichtig und wertvoll. Wichtig und wertvoll sind die Reden nicht nur für die unmittelbaren Adressaten. Sie sind ein Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklungen, ein Zeugnis der Gegenwartsliteratur und ihre Themen sind so universell, dass ein weit größeres Publikum, ganz unabhängig vom Alter, angesprochen wird.
Die Reihe begann im Jahre 2000 mit einer medienkritischen Rede von Birgit Vanderbeke. Im darauf folgenden Jahr befasste sich Herta Müller mit dem unterschiedlichen Charakter von Grenzen. Guntram Vesper sprach über die Gefahr des Verdurstens in einer Welt, die im Überfluss von Waren und Spaß zu ertrinken droht und Dieter Wellershoff im Jahre 2003 über den Wert eines selbst geschaffenen Lebenssinns in einer unüberschaubar gewordenen Welt. Raoul Schrott weitete eine Publikumsbeschimpfung zu einer Zivilisations- und Gesellschaftskritik aus. Rechtsradikalismus und Zivilcourage machte Wilhelm Genazino zum Thema seiner Abiturrede im Jahr 2005. Ulrike Kolb ermunterte, sich wie ein Akrobat in die Zirkuskuppel aufzuschwingen, die Selbsterkenntnis zu wagen, um nicht in der Masse unterzugehen. Feridun Zaimoglu sprach über die Wahrheit des wirklichen Lebens und warnte vor dem billigen Ausweg des Zynismus. Im Jahr 2008 schließlich plädierte Ulrich Peltzer für den Mut, die Gegenwart zu leben und den eigenen Weg zu gehen, auch gegen gesellschaftliche Erwartungen. Die von Christoph Hein im Jahre 2009 verfasste zehnte Rede an die Abiturienten halten Sie gerade in den Händen. Wir wünschen Ihnen viel Freude bei der Lektüre.
Die Union Stiftung in Saarbrücken ist eine von Parteien und staatlichen Stellen unabhängige regionale und gemeinnützige Einrichtung, die keine Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln erhält oder fordert. Sie arbeitet auf der Grundlage eines christlichen Menschen bildes in den Bereichen Bildung, grenzüberschreitende Zu sam men arbeit und Förderung von Kunst, Wissenschaft und Kultur. Die Wiederaufnahme und die Fortsetzung dieser schönen Tradition der Abiturrede ist für die Stiftung Freude und Verpflichtung. Wir werden uns auch in Zukunft bemühen, den Abiturienten, ihren Eltern und Lehrern diesen feierlichen Moment der Reflexion und des Innehaltens zu ermöglichen und gemeinsam mit dem Gollenstein Verlag der Öffentlichkeit Reden bekannter Autorinnen und Autoren vorzulegen.
Für den Vorstand der Union Stiftung
Christiane Blank