Zuletzt aktualisiert: 14.02.2023

Wie NFTs die Kunstwelt verändern – auch im Saarland

Am 15. Dezember 2022 hatte die Union Stiftung in Kooperation mit dem PopRat Saarland zu einer Veranstaltung geladen, bei der „die neue Krypto-Kunst im Internet und im Saarland“ erklärt und diskutiert werden sollte.

Zu Gast war Carmelo Lo Porto, CEO der Saarländischen NFT-Plattform NIFTEE, der im Web3 vor allem Chancen für die Kunst sieht. Beim Web3 handelt es sich um das Konzept eines Internets, das auf Blockchain-Technologie basiert und verstärkt auf Dezentralisierung und tokenbasierte Wirtschaft setzt. Weitere Gäste waren Lea Eisenberg, die ihre Masterarbeit dem Thema Museen und NFTs widmete, Simon Matzerath, Leiter des Historischen Museums Saar und der Urban-Art-Künstler „Reso“ Patrick Jungfleisch.

Zertifizieren, was das Original ist und wem es gehört

Michael Scholl, Geschäftsführer der Union-Stiftung, begrüßte die Gäste im Haus der Union Stiftung Saarbrücken zusammen mit dem Stellvertretenden Geschäftsführer Dominik Holl. Letzterer übernahm die Moderation der folgenden Podiumsdiskussion. Zunächst stellte er das erste Non-Fungible Token (NFT) der Welt vor: das Werk „Quantum“ des Künstlers Kevin McCoy aus dem Jahr 2014. Es handelt sich um ein sechssekündiges Video eines Achtecks, das seine Farbe ändert. Dieses wurde kürzlich bei Sotheby’s für rund 1,5 Millionen Dollar versteigert. Genau genommen wurde das Zertifikat zu dem Werk versteigert, welches den Besitz des Originals bescheinigt.

Carmelo Lo Porto erklärte daraufhin den Begriff NFT, indem er zunächst das erste WWW mit seinen statischen Seiten erwähnte. Später kam das Web 2.0 mit Nutzerinteraktionen dazu. Nunmehr sei die Zeit des Web3 mit der Blockchain als „digitalem Notariat“. Diese Funktion ist dezentralisiert, also auf vielen Rechnern verteilt, und bezeugt, was Original und was Kopie ist. Ähnlich wie beim Handelsregister können alle transparent sehen, wem etwas gehört. Dabei spielen Wallet-Adressen als digitale Identitäten eine Rolle. Ein Objekt kann jeweils nur einem Benutzer bzw. einer Identität zugeordnet sein. Historische Besitzverhältnisse sind einsehbar. Auch die Inhalte selbst können dezentral mehrfach gespeichert werden, sodass sie weniger leicht zerstört werden können. Zum Beispiel ist die Ukraine dazu übergegangen, ihre Kunstwerke zu katalogisieren und in der Blockchain zu speichern. Somit ist die Provenienz der Werke zweifelsfrei auch für die Zukunft belegt, selbst wenn die Gebäude der Museen zerstört werden.

Ein NFT ist eine „nicht austauschbare Wertmarke“ und könne inhaltlich alles Mögliche sein, vom Fahrzeugbrief bis zum Buch. Man kann es zum Verständnis mit einem Fünf-Euro-Schein vergleichen, auf dem ein Autogramm ist. Carmelo Lo Porto erläuterte in dem Zusammenhang auch das Metaverse: Es sei eine Welt, in der das Digitale das Physische überlappt.

Jede Kunstart bietet verschiedene Möglichkeiten

Patrick Jungfleisch begann seinen Redebeitrag mit einer Erklärung zum Unterschied zwischen digitaler und physisch-realer Kunst: Seit seinen künstlerischen Anfängen als Graffiti-Künstler, wobei Werke im öffentlichen Raum häufig von anderen Künstlern übermalt wurden und die Vergänglichkeit eingeplant war, seien ihm die unterschiedlichen Schaffensebenen von Kunstwerken bewusst. So fielen in die Planungsphase auch Fragen nach Material und Haptik, die sich im digitalen Raum nicht widerspiegelten. Nuancen wie Leinwandstoff oder spezielle Farbauftragtechniken würden bei NFT Kunst keine Rolle spielen. Auf der anderen Seite bringe digitale Kunst andere Möglichkeiten mit sich, wie etwa Animationen oder ergänzende Sounds.

Jeder Kunstort, so Jungfleisch, habe seine eigenen Umstände und Eigenschaften. Kunst im öffentlichen Raum sei den Einflüssen von Witterung und Mitmenschen ausgesetzt. NFT Kunst könnte für ihn interessanter sein, wenn dort auch verschiedene Schaffensphasen eines Werkes dargestellt würden.

Wie NFTs in Museen genutzt werden können

Lea Eisenberg betonte, dass Museen und NFT-Technologie keine Gegensätze sind. Im Laufe des letzten Jahres sei die Menge an wissenschaftlich nutzbaren Beiträgen zum Thema NFT und Museum stark gewachsen. Simon Matzerath berichtete, dass es im Saarland relativ einfach war, von einem vorhandenen Netzwerk zu profitieren, um eine sinnvolle inhaltliche Ausrichtung des NFT-Projekts des von ihm geleiteten Museums zu entwickeln. Bei der dabei stattfindenden Pionierarbeit hätten sein Team und er viel gelernt. U. a. hat das Historische Museum Saar Zwischenstände bei der Entstehung von Kunst als NFTs herausgegeben.

Es wurde ein NFT als Beispiel gezeigt, welches das Museum erstellen ließ. Bei diesem Gemälde aus dem 19. Jahrhundert zeigt das NFT den Zustand, der wohl jenem direkt nach Fertigstellung durch den Maler am nächsten kommt. An diesem digitalen Werk seien zwar keine Forschungen wie Pigmentanalysen mehr möglich, aber man kann stark reinzoomen und dabei die Leinwandstruktur erkennen und international darauf zugreifen und inhaltlich forschen, zumal dieses 17 qm große Werk nicht dauerhaft oder an beliebigen Orten ausgestellt werden kann. Den klassischen Ausstellungskatalog mit gering aufgelösten Bildern wird es aber weiterhin geben. Während die dauerhafte Überlieferung von Büchern bekanntermaßen Risiken ausgesetzt ist, sei die Überlieferung von Werken via Blockchain für die nächsten 500 Jahre seiner Meinung nach nur „ein bisschen riskant“.

Dazu wies Carmelo Lo Porto darauf hin, dass per Blockchain NFT-Werke dezentral gespeichert werden können, sodass, wenn z. B. ein Museumsserver abgeschaltet wird, das Werk auf anderen globalen Servern weiter zugänglich bleibt, inklusive des historischen Kontexts und des Echtheitszertifikats. Simon Matzerath sieht in dieser dezentralen Speicherung eine Lösung der Langzeitarchivierung, bei der Digitalisate auch bei lokalen Katastrophen gesichert bleiben.

Die Vermarktung von NFTs

Zum Thema des hohen Energieverbrauchs durch die Blockchainserver und dem damit einhergehenden CO²-Ausstoß erklärt Carmelo Lo Porto, dass sein Unternehmen sich für die weniger energieintensive Blockchain-Variante entschieden habe, die Proof of Stake genannt wird. Dabei sei keine Rechenleistung bzw. keine Energie nötig, um einen Block zu validieren.

Anschließend berichtete Lea Eisenberg, dass bislang nur vier Museen in Europa, außer des Saarländischen, mit NFTs arbeiteten. Neben der Archivierung würde das Thema NFT eingesetzt, um Restaurierungsarbeiten crowdfunden zu lassen und jüngere Generationen in Museen zu locken. In der Folge wurde Lo Porto gefragt, wer die Käufer-Zielgruppe von NFT Kunst ist. Er befand, dass sich zunächst Technikinteressierte und mittlerweile breitere Schichten von Menschen für NFTs begeistern. Eine Seniorin habe z. B. ein NFT gekauft, weil sie mit dem Museum in Verbindung bleiben möchte, auch wenn sie weniger physisch mobil ist. Denkbar seien auch persönliche Vorteile für NFT-Käufer, wie erweiterte Ausstellungsöffnungszeiten. Wer ein digitales Kunstwerk verkauft, kann selbst festlegen, wie viele Anteilsbesitzer dessen es geben soll.

Patrick Jungfleisch vermutete, dass 90% der Künstler nicht die Kenntnisse hätten, um ihre Werke in die Blockchain zu bringen, weshalb es entsprechende Dienstleister brauche. Das Unternehmen von Carmelo Lo Porto „prägt“ Kunst, erstellt also NFTs aus analogen Werken und bietet deren Vermarktung an. Dadurch müssten Käufer sich nicht mit Kryptowährung auseinandersetzen, sondern können klassische Zahlungsmethoden wählen.

Auch in der Gamingszene werden NFTs zunehmend beliebter, etwa für Bonusgegenstände, die der Held nutzen kann. Eine Person erwarb für über 100.000 Dollar ein virtuelles Formel 1-Fahrzeug, das zu einem Spiel gehörte, welches eingestellt werden musste, weshalb diese hohe Investition verloren war. Lo Porto sagte dazu, dass NFTs, die seine Firma betreut, aufgrund der Dezentralität auch ohne sein Unternehmen weiter handelbar wären. Im Übrigen sei NFT Kunst auch neben der Blockchain verkaufbar, also durch persönliche Aushandlungen bei analogen Treffen beispielsweise.

Konstruktive Diskussionsrunde zu NFTs im Saarland und darüber hinaus

Auf eine Frage aus dem Chat hin erklärte Lo Porto, dass die Blockchain bzw. die dezentralen Server von mehreren Menschen einer weltweiten Community betrieben werden, die damit ein Netzwerk bilden. Sein Unternehmen betreibe einen der Knotenpunkte. Um nicht unnötige Datenmengen zu transferieren, würde immer ein Vorschaubild mit kleinerer Auflösung angeboten.

Als Antwort auf eine Zuschauerfrage führte Lea Eisenberg aus, dass viele Museen entweder aus Unwissenheit, Angst oder einem Mangel an Kooperationspartnern das Thema NFT Kunst noch außen vor lassen. Bei Kunstmessen hingegen, so Patrick Jungfleisch, seien Monitore, auf denen NFTs abgespielt werden, mittlerweile üblich. Auch einzelne Galerien und Kunsthändler hätten sich auf diesen Bereich spezialisiert und wollen Vorreiter sein. Simon Matzerath erläuterte ergänzend, dass sich alle großen deutschen Museen durchaus mit dem Thema auseinandersetzen, aber oft die Verwaltungs-, Buchhaltungs- und juristischen Aufgaben scheuen, die für einen Einsatz der Technik notwendig wären. Nötig seien Vorbilder, an die dann angeknüpft werden könne. Die Anwesenden applaudierten dafür, dass ein Saarländisches Museum eines dieser Vorbilder ist. Simon Matzerath schätzte, dass es fünfzehn Jahre dauern würde, bis deutsche Museen eine sinnvolle NFT Kunst-Datenbank erstellt hätten.

Eine Zuschauerin fragte, ob das Historische Museum Saar plane, NFT Kunst aktiv zu akquirieren. Simon Matzerath kann sich dies für Werke mit Saarlandbezug vorstellen. Auf eine andere Frage hin erläuterte er, dass es auch denkbar ist, künftig ein NFT eines Objektes anzufertigen, das physisch nicht ins Museum gelangen kann. Dies würde zukünftige Diskussionen darüber, was das jeweilige Originalobjekt ist, schnell klären.

Parallelität digitaler und analoger Kunst als Zukunftsvision

Einige Anwesende stellten Verständnisfragen. Dies führte u. a. dazu, dass nochmal klarer erklärt wurde, dass man mit seiner digitalen Identität („Wallet“) NFTs erwirbt und diese aus diesem Benutzerkonto heraus herunterladen oder ausdrucken kann. Dabei dient eine Mailadresse als Schlüssel für die Wallet, welche standardgemäß für Dritte anonymisiert gezeigt wird.

Anhand des NFTs, welches ein 3D-Modell der Bühnenmaske des Rappers Cro ist, wurde gezeigt, wie die Authentizität über die Blockchain abgesichert wird. Es gibt Sicherheitsmechanismen, die in Kraft treten, wenn jemand versucht, dieses bereits existente Werk mit neuem Datumsstempel in die Blockchain zu stellen.

In der Abschlussrunde sollte jeder Podiumsteilnehmer ein Statement dazu abgeben, wie NFTs die Kunstwelt verändern würden. Simon Matzerath sah NFTs als grundlegend für bessere Langzeitkonservierung und Chancen für Ausstellungen, in denen digitale und analoge Kunst kombiniert werden. Carmelo Lo Porto prophezeite, dass neue Kunstgattungen und generell ganz neue Möglichkeiten entstünden. Lea Eisenberg erwähnte neben besseren Archivierungsmöglichkeiten Optionen für mehr Kundenbindung in Museen durch NFTs. Zudem erweitere Digitales die Ausdrucksmöglichkeiten für Künstler. Patrick Jungfleisch erinnerte daran, dass viele Künstler nicht so einfach auf neuem Terrain arbeiten möchten, wenn sie etwa für ein Trägermaterial oder eine Gattung bekannt sind. NFTs böten aber interessante Chancen für kreative Menschen.

Die ganze Veranstaltung können Sie sich hier noch einmal ansehen:

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