Zuletzt aktualisiert: 27.04.2023

Blogbeitrag zur Online-Diskussion

Facebook heißt jetzt „Meta“ – aber sonst bleibt alles gleich. Oder? Mit der Umbenennung des Facebook-Konzerns in „Meta“ trat der Begriff des „Metaverse“ oder „Metaversums“ erstmals in den Blick einer breiteren Öffentlichkeit.

Doch was ist überhaupt das „Metaverse“? Kurz gesagt: Es ist eine digitale und interaktive Umgebung, ein virtueller Raum, in dem Wirklichkeit und Digitalisierung mit Hilfe von verschiedenen Technologien miteinander verschmelzen.

Die Idee selbst ist nicht neu, gewinnt aber durch das „Metaverse“ und die Fokussierung großer Unternehmen wie Facebook, alias „Meta“ an enormen Schwung. Dadurch erhält das Thema nicht nur eine wirtschaftliche Relevanz, sondern auch eine gesellschaftliche und damit letztlich auch eine politische.

Der Politikberater und Wahlbeobachter Martin Fuchs hat deshalb die Frage gestellt: „Muss die Politik ins Metaverse?“. Im Rahmen einer Online-Veranstaltung, organisiert von der Union Stiftung, diskutierte er gemeinsam mit den Zuschauern, inwiefern das „Metaverse“ die digitale Welt verändern kann, wo sich die Politik dabei sehen sollte und welche Chancen sich womöglich daraus ergeben könnten. Die Fragen und Kommentare der Zuschauer machten aber zunächst deutlich, wie neu und unbekannt diese Thematik ist und dass es noch einen großen Diskussionsbedarf gibt.

Grundsätzlich stellte Martin Fuchs mit den Zuschauern fest, dass die Gesellschaft und unser Leben immer digitaler werden. Das haben die Jahre der Corona-Pandemie deutlich gemacht und gleichzeitig auch die Lücken der Digitalisierung aufgedeckt. Die Pandemie hat viele dazu gezwungen, sich mit digitalen Prozessen auseinanderzusetzen, vom Bürgermeister, über den Abgeordneten bis hin zu den Ministerien und damit verdeutlicht, dass gerade auch die Politik nicht mehr von der digitalen Kommunikation zu trennen ist. Institutionen, Parteien, politische Angebote oder auch Wahlkämpfe wurden und werden digitalisiert. Digitalisierung ist mittlerweile also ein fester Bestandteil politischer Arbeit geworden. Das hieße aber auch, dass die Politik die Grundlagen für die Digitalisierung schaffen und beispielsweise digitale Ratssitzungen ermöglichen müsste. Politik muss den Rahmen schaffen und selbst Nutzer der Digitalisierung sein.

Allerdings ist das Thema „Metaverse“ noch so gut wie gar nicht in der Politik angekommen. Bislang ist zum Beispiel noch kein deutscher Politiker im „Metaverse“ aktiv. Erste, kleine Schritte in einer Art Vorgänger-Version des „Metaverse“, der Plattform „Second Life“ gab es vor ein paar Jahren, als FDP, SPD oder Die Linke digitale Angebote in Form von

Bürgersprechstunden oder Parteibüros für die Bürgerinnen und Bürger dort angeboten haben. Das Land Baden-Württemberg hatte sogar eine digitale Landesvertretung aufgebaut – verbunden mit viel Aufwand und hohen Kosten. Hier wurden erste Erfahrungen gemacht, die aber letztlich nie weiterverfolgt oder ausgebaut wurden. Es war und bleibt Zukunftsmusik.

Das Grundproblem ist bis heute das gleiche: Es gibt keine überzeugenden Konzepte der politischen Akteure in Deutschland, die Menschen in diese neue, digitale Umgebung locken. So zumindest in Deutschland.

In den Nachbarländern sieht das ganze schon anders aus:

Im letzten Präsidentschaftswahlkampf in Frankreich nutzte der linkspopulistische Kandidat Jean-Luc Mélenchon Hologramme, um gleichzeitig an mehreren Orten zu den Franzosen zu sprechen. So konnte er via Hologramm in 30 Städten gleichzeitig bei Wahlkampf-Terminen „anwesend“ sein. Er konnte also an 31 Orten zu den Menschen sprechen, während er in Präsenz nur an einem Ort war. Die Idee scheint funktioniert zu haben. Denn, so Martin Fuchs, „die Hallen waren voll und auch wenn am Ende das Ergebnis für ihn niederschmetternd war“, die Leute fanden es irgendwie spannend.

Ein ähnliches Format wird in der Türkei bereits genutzt. Hier finden Parteitage digital statt – die Teilnehmenden sitzen in ihren Büros oder zuhause und können z.B. mit einer Virtual Reality Brille sozusagen hautnah am Parteitag und Diskussionsrunden teilnehmen.

Auch andere Länder, etwa Tschechien, wollen diese Möglichkeiten der politischen Partizipation nutzen. Allerdings, so Fuchs, sei die Vision weit weg und die Technologien noch nicht entsprechend ausgereift.

Nicht ausgereift seien, laut Martin Fuchs, auch die Bereiche Sicherheit und Datenschutz. Das „Metaverse“ bietet Raum für Cyber Kriminalität und Gewalt. Mangelhafter Datenschutz ermöglicht enormes Abgreifen von Daten, ob zu kommerziellen oder kriminellen Zwecken sei dahingestellt. Gerade hier sollte es für die Politik außer Frage stehen, sich – zumindest regulatorisch – einzumischen und einbringen zu wollen. Auch die Fragen nach den moralischen und ethischen Bewertungen der schier unendlichen Möglichkeiten des Metaverse sind Fragen, derer sich die Politik annehmen muss: Was ist ethisch und moralisch vertretbar? Welche Grenzen sollten politisch gesetzt werden? Kann die Politik hier überhaupt Grenzen setzen? Oder bremsen sich kreative Freiheit und politisches Eingreifen hier aus?

Es reicht nicht aus, dass es einen Zusammenschluss von mehr als 100 Unternehmen gibt, die sich mit dem Thema „Metaverse“ und all seinen Facetten befassen.

An dieser Stelle wird deutlich: Es gibt zwei Ebenen, aus denen sich die Politik der Thematik annähern kann: zum einen als Regulator, quasi „Aufsichtsinstitution im Metaverse“ mit Blick auf ethische, moralische, datenschutzrechtliche Belange und zum anderen als eigenständiger Akteur und Nutzer des „Metaverse“ für Projekte und Bürgerbeteiligung.

Gerade zum letztgenannten Punkt gibt es – wie bei allem – Gründe dafür und dagegen. Für eine Nutzung bzw. eine aktive Beteiligung der Politik sprechen naheliegende Gründe: politische Partizipation; Erreichbarkeit von gesellschaftlichen Gruppen, die nicht in der gängigen politischen Szene unterwegs sind; eine geringere Hemmschwelle bei politischen Veranstaltungen teilzunehmen oder mit Politikern ins Gespräch zu kommen. Aber auch Themen wie Inklusion, Diversität und Umweltschutz deuten Potenziale an, die für einen Eintritt in das „Metaverse“ sprechen. Das Wider spiegelt sich in den vielen offenen Fragen. Aktuell ist die Thematik noch zu unerprobt, um eine professionelle und vor allem sichere Nutzung zum jetzigen Zeitpunkt zu gewährleisten.

Fraglich wäre außerdem, ob beide Bereiche – Regulationsaufgabe und Nutzung des Metaverse für eigene politische Aktionen – nicht miteinander verschwimmen. Und zumindest Nutzer sich in ihrer kreativen Freiheit und der „Anonymität des Metaverse“ eingeschränkt sehen.

Egal, wie sich die Politik letztlich entscheiden wird, „Metaverse“ ist heute noch Zukunftsmusik, die in ein paar Jahren von den großen Unternehmen – und vielleicht der Politik – gehört und gespielt wird.

Deshalb, so Martin Fuchs, solle sich die Politik „sehr intensiv damit beschäftigen, damit dieses Ungleichgewicht (…) zwischen Wirtschaft und Gesellschaft nicht wieder entsteht“. Es ist wichtig, dass die Politik sich mit dem „Metaverse“ auseinandersetzt und die Möglichkeiten und Herausforderungen, die es bietet, sorgfältig abwägt. Dabei sollten die Interessen der Bürgerinnen und Bürger im Mittelpunkt stehen – in Kombination mit einer inklusiven und nachhaltigen Herangehensweise. Das Thema wird, so Fuchs, in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen und es bleibt nicht aus, dass „wir uns noch viel stärker (damit) beschäftigen müssen“, nicht zuletzt, weil es jetzt eine ganze Generation gibt, die mit den neuen Technologien aufgewachsen und vertraut sind. Allein in Deutschland gibt es 36 Millionen Spieler.

Man kann also keine klare Antwort auf die Ausgangsfrage geben, weil auch die Pro- und Contra-Seiten nicht eindeutig sind, gar miteinander verschwimmen. Klar ist aber, dass die Politik nicht drum herumkommen wird, sich mit dem Thema „Metaverse“ zu befassen – ob durch Fachpolitiker, Ausschüsse und Gremien oder in sonst einer anderen politischen Form. Die Zeichen der Zeit stehen auf Digitalisierung 2.0.

Zur Person Martin Fuchs:

Martin Fuchs ist Wahlbeobachter und Politikberater. Er berät Regierungen, Parlamente, Parteien, Politiker und Verwaltungen in digitaler Kommunikation.

Er hat als Politik- und Strategieberater einige Jahre in Brüssel und Berlin gearbeitet. Seit 2008 ist er Lehrbeauftragter für Public Affairs an der Universität Passau und Dozent für Social Media und Politik an weiteren Hochschulen. Er ist Gründer der Social-Media-Analyse- und Benchmarking-Plattform pluragraph.de und bloggt über Social Media in der Politik.

Als Kolumnist des Fachmagazins „politik & kommunikation“ und Gastautor u.a. für NZZ, ZEIT ONLINE, Hamburger Abendblatt und andere Medien schreibt er über digitale Kommunikation.