Herausforderungen und Perspektiven für die Zukunft der Stahlindustrie
Was ist grüner Stahl und warum ist er wichtig?
Die Herstellung von grünem Stahl ist ein zentraler Bestandteil der Energiewende. Dabei handelt es sich um Stahl, der weitgehend ohne Emissionen von Kohlendioxid produziert wird. Im Gegensatz zur klassischen Stahlherstellung, bei der Eisenerz durch Kokskohle reduziert wird und dabei große Mengen CO₂ freisetzt, setzt die Produktion von grünem Stahl auf Wasserstoff oder Erdgas als Reduktionsmittel. Dadurch werden entweder deutlich weniger oder gar keine klimaschädlichen Gase emittiert.
Im Saarland, einem historischen Standort der Stahlindustrie, hat der Übergang zur dekarbonisierten Produktion eine besondere Bedeutung. Die Dillinger Hütte plant, bis 2030 vollständig auf Wasserstoff-basierte Prozesse umzustellen, steht dabei jedoch vor enormen Herausforderungen.
Herausforderungen der Energiewende für die Stahlindustrie
Hoher Energiebedarf und fehlende Infrastruktur
Die Umstellung auf grünen Wasserstoff erfordert erhebliche Mengen an Strom. Für die Dillinger Hütte wird sich der Strombedarf laut Unternehmensangaben verdoppeln, was etwa 8 Milliarden Kilowattstunden entspricht – eine Verdopplung des gesamten Stromverbrauchs im Saarland. Der notwendige Wasserstoff muss zudem entweder importiert oder mit erneuerbarem Strom lokal hergestellt werden, was bislang aufgrund der hohen Kosten unwirtschaftlich ist.
Die Bundesregierung hat zwar das Ziel formuliert, bis 2030 10 Gigawatt Elektrolysekapazität für Wasserstoff zu schaffen. Doch bisher sind lediglich 0,3 % dieses Ziels in der sogenannten „Final Investment Decision“ realisiert. Somit bleibt unklar, woher der benötigte Wasserstoff rechtzeitig kommen soll.
Wettbewerbsnachteile durch hohe Stromkosten
Ein weiteres Problem sind die hohen Strompreise in Deutschland. Um konkurrenzfähig zu bleiben, fordert die Dillinger Hütte subventionierte Industriestrompreise von etwa 4 Cent pro Kilowattstunde. Zum Vergleich: Aktuelle Marktpreise liegen bei 12 Cent. In Ländern wie Schweden, wo die Stahlindustrie von günstiger Wasserkraft profitiert, oder den USA, wo Erdgas deutlich günstiger ist, gibt es bessere Voraussetzungen für grünen Stahl.
Globale Konkurrenz und politische Unsicherheiten
Andere Länder wie Schweden, Namibia und Indien entwickeln erfolgreich Strategien zur Produktion von grünem Stahl. In Namibia beispielsweise sorgen günstige Bedingungen für erneuerbare Energien wie starke Sonneneinstrahlung und hohe Windgeschwindigkeiten für eine kostengünstige Wasserstoffproduktion. Indien setzt hingegen auf Mini-Reaktoren, um Wasserstoff direkt neben den Stahlwerken zu erzeugen.
Deutschland hingegen steht durch die Energiewende vor strukturellen Nachteilen. Die fehlende Wettbewerbsfähigkeit könnte dazu führen, dass Stahlwerke ins Ausland verlagert werden, wo bessere Bedingungen herrschen.
Lösungsansätze: Subventionen und neue Technologien
Staatliche Unterstützung
Um die Stahlindustrie im Saarland zu sichern, setzt die Politik auf Subventionen. Die Bundesregierung stellt 2 Milliarden Euro für die Transformation der Dillinger Hütte bereit, und weitere Subventionen für günstigen Strom stehen im Raum. Auch werden Quoten für den Einsatz von grünem Stahl in der Automobil- und Bahnindustrie diskutiert, um den Absatz zu sichern.
Innovationspotenzial der deutschen Industrie
Trotz der Herausforderungen hat die deutsche Stahlindustrie das Potenzial, durch Innovation neue Maßstäbe zu setzen. Deutschland ist bekannt für seine technologischen Spitzenleistungen, könnte jedoch durch hohe Energiekosten und regulatorische Hürden zurückfallen.
Fazit: Die Zukunft der saarländischen Stahlindustrie
Die Transformation der Stahlindustrie im Saarland hin zu grünem Stahl ist ein ambitioniertes Vorhaben, das eine Vielzahl an Hürden mit sich bringt – von hohen Energiepreisen über globale Konkurrenz bis hin zu unzureichender Infrastruktur. Ohne massive staatliche Unterstützung und innovative Ansätze ist es unwahrscheinlich, dass diese Transformation gelingen wird.
Die Frage bleibt, ob der Standort Saarland langfristig konkurrenzfähig bleiben kann oder ob die Stahlproduktion ins Ausland verlagert wird, wo bessere Bedingungen herrschen. Klar ist, dass die kommenden Jahre entscheidend sein werden – nicht nur für die Dillinger Hütte, sondern für die gesamte deutsche Stahlindustrie.
Sehen Sie sich das komplette Interview mit Dr. Christoph Canne auf unserem YouTube-Kanal an. Hier wird detailliert erklärt, wie die Dillinger Hütte und andere Stahlwerke den Übergang zu grünem Stahl schaffen wollen.
Über den Referenten: Dr. Christoph Canne
Dr. Christoph Canne ist Volkswirt und Vorstandsmitglied der Bundesinitiative Vernunftkraft. Der gebürtige Saarländer analysiert und bewertet energiewirtschaftliche Zusammenhänge mit besonderem Fokus auf die Energiewende und deren Auswirkungen auf Industrie und Gesellschaft. Als Pressesprecher der Initiative engagiert er sich für eine fundierte, analytische Debatte zu Deutschlands Energiepolitik.
Mehr über Dr. Christoph Canne finden sie unter: https://www.vernunftkraft.de/dr-christoph-canne/